Prof. Dr. Gottfried Diller

Ohne Begeisterung ist noch nie etwas geschaffen worden

Als ich mich 1969 noch als Abiturient dazu entschloss Gehörlosenpädagoge zu werden, war es gehörlosen Menschen nur durch Lippenablesen, wenn überhaupt, möglich das gesprochene Wort zu erkennen. Hörgeräte gab es praktisch nur für Schwerhörige. Lautsprache sprechen durch Hören war unmöglich. Nur mittels mühevollem Lippenlesen und Fühlen von gesprochener Sprache am Körper gab es eine die Möglichkeit Lautsprache, wenn auch eingeschränkt, zu erwerben. Dies bedurfte einer intensiven Unterstützung durch dafür ausgebildete Gehörlosenpädagogen.

Nach meinem Studium der allgemeinen Schulpädagogik begann 1972 meine berufliche Laufbahn als Referendar an einer Schule für Gehörlose. Zu diesem Zeitpunkt gab es immer noch keine Hörgeräte, die gehörlosen Kindern ein Hören lernen ermöglichte. Anfang der siebziger Jahre, in der Zeit, in der ich ein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg zum Gehörlosen- und Sprachheilpädagogen absolvierte, kamen immer mehr hochleistungsfähige Hörgeräte auf den Markt.

Prof. Dr. Gottfried Diller

Verein zur Förderung hörgeschädigter Kinder in Friedberg

Gleichzeitig gab es Berichte und Praxisbeispiele, die zeigten, wenn man sehr früh eine Versorgung von hörgeschädigten Kindern mit Hörgeräten – verbunden mit einer intensiven lautsprachlichen Hörerziehung – durchführt, haben gehörlose Kinder die Chance Hörfähigkeiten zu entwickeln und Lautsprache zu erlernen.

Da diese Auffassung nicht ohne weiteres in der Frühförderung und in den Schulen für Gehörlose akzeptiert wurde, sowie keine entsprechenden Förderprogramme angeboten wurden, habe ich 1991 gemeinsam mit engagierten Kolleginnen einen gemeinnützigen Verein zur Förderung hörgeschädigter Kinder in Friedberg gegründet.

Wir wollten gehörlosen Kindern mit Hilfe der von mir beschriebenen „Hörgerichteten Förderung“ eine Möglichkeit bieten in Verbindung mit hochleistungsfähigen Hörgeräten Hören zu lernen und die Lautsprache zu erwerben. Es war nach wie vor ein schwieriger Weg, denn die Hörgeräte konnten eine Taubheit, d. h. die ausgefallene Funktion des Innenohres nicht nur in einem sehr geringen Maße verbessern. Aber es war mehr möglich als man je zuvor in der Gehörlosenpädagogik gedacht hatte!!! Vor diesem Hintergrund waren wir begeistert von dem was erreicht wurde.

Nachdem ich 1993 einen Ruf als Professor für Didaktik der Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik an die PH – Heidelberg erhielt, konnte ich mich noch intensiver mit den wissenschaftlichen Grundlagen zu Fragen des Hörens, seiner Entwicklung und Förderung als auch mit den damit verbundenen didaktisch – methodischen Fragen auseinandersetzen. Sie wurden zum Gegenstand meiner Lehrtätigkeit, Forschungen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

Das Cochlea Implant

Das Cochlea Implant sollte die Wende bringen und meiner Begeisterung für das Hören und den damit verbunden Chancen für alle Betroffenen einen weiteren großen Impuls verleihen.

Auch taube Menschen sollten mittels Cochlea Implantat Hören lernen können. Eine Utopie an die viele nicht glaubten, skeptisch und dem ablehnend gegenüber standen. 1995 bekam ich einen Anruf aus der Uni-Klinik in Frankfurt, die Klinik wollte damit beginnen gehörlose Kinder mit einem Cochlea Implantat zu versorgen. Aber nur wenn im Anschluss daran ein entsprechende hörgerichtete Therapie stattfindet. Die öffentlichen Gehörlosenschulen und die Gehörlosenverbände standen diesem Vorhaben skeptisch und z. T. ablehnend gegenüber.

Für mich war von Anfang an klar, das könnte eine riesengroße Chance sein, gehörlosen Kindern den Weg zum Hören zu ermöglichen und damit verbunden neue weitere Chancen für ihr Leben zu eröffnen.

Hören lernen können kann für niemand ein Nachteil sein. Ich stellte mich dieser Herausforderung.

Das CIC – Rhein Main Friedberg

So kam es, dass unter meiner Leitung der Verein zur Förderung e. V. Friedberg nach dem CI –Zentrum Hannover 1995 das zweite Rehazentrum „Das CIC – Rhein Main Friedberg“ eröffnen konnte. Schon sehr früh wurde klar mit dem Cochlea Implant wird die Geschichte der Gehörlosenpädagogik neu geschrieben werden müssen. Für viele war es ein Wunder, viele blieben skeptisch und ablehnend. Wir waren begeistert.

Trotz aller Kontroversen stieg die Nachfrage nach Rehaplätzen kontinuierlich. Aus diesem Grund entschied sich der Vorstand des VFH e.V. ein eigenes Rehazentrum zu bauen. Aber uns fehlten die Mittel dazu.

Nun wurde ich neben meiner sonstigen Tätigkeiten quasi zum Bauleiter, Finanzmanager und Planer. Unser „kleiner Verein“ mit 50 Mitgliedern hatte sich etwas Großes vorgenommen.

2004 konnte das neue CIC – Rhein Main Friedberg bezogen werden.

2007 wurde eine Kooperation des CIC – Rhein Main mit der Median Kaiserberg Reha – Klinik in Bad Nauheim zum Zwecke einer Hörrehabilitation für CI – Träger vereinbart.

2013 gründeten wir eine weitere ambulante CIC Rehaeinrichtung nur für Erwachsene in Frankfurt.

Der Verein zur Förderung Hörgeschädigter wurde nach 20 Jahren seiner Tätigkeit unter meiner Leitung im Jahr 2015 in die neu gegründete Stiftung zur Hör-und Sprachförderung Friedberg übergeleitet.